Digitaler Produktpass für nachhaltige Produkte
Die Digitalisierung ist im vollen Gange und betrifft nahezu jede Branche – so auch die Produktion, den Handel und den Vertrieb. Eine fortschrittliche Entwicklung, die der heutigen Zeit in diesem Zusammenhang gerecht wird, ist der digitale Produktpass. Dabei handelt es sich um einen digitalen Datensatz, über den sich standardisierte Informationen über ein Produkt abrufen lassen. Darunter Material, chemische Inhaltsstoffe, Reparierbarkeit, Ersatzteile und vieles mehr. Die Daten decken dabei den gesamten Lebenszyklus ab, sodass man sich den digitalen Produktpass der EU wie eine Art Identität oder Lebenslauf eines Produkts vorstellen kann.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie der Produktpass der EU die Zukunft nachhaltiger Produkte gestaltet. Wir beleuchten die Gründe für seine Einführung, die Pflichten, die Hersteller erfüllen müssen, den erwarteten Einführungszeitpunkt und die Vorteile, die er für alle Beteiligten entlang der Wirtschaftskette mit sich bringt.
Für Schnell-Leser
Der digitale Produktpass ist ein Datensatz. Über einen QR-Code, den Marktakteure und Kunden einscannen, rufen sie die im Pass enthaltenen Daten ab. Sie erhalten daraufhin Informationen zu den Eigenschaften des Produkts. Hersteller von Produkten, die von der kommenden Ökodesign-Verordnung betroffen sind, sind dazu verpflichtet, über den digitalen Produktpass die von dem Gesetzgeber geforderten Informationen zum Produkt bereitzustellen. Welche Informationen dies sind, ist von der Art des Produkts abhängig. So sind neben den Inhaltsstoffen, Materialien und Komponenten auch Informationen zur Wiederverwendbarkeit sowie Montageanleitungen potenzielle Bestandteile des Passes.
Warum wurde der digitale Produktpass der EU entwickelt?
Im Produktpass der EU sollen u. a. Informationen zu den Komponenten, Inhaltsstoffen und weiteren Eigenschaften von Produkten aufgeführt sein. Durch den Informationsgehalt im digitalen Produktpass wird es sämtlichen Marktakteuren sowie Verbrauchern vereinfacht, einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft im Unternehmen zu leisten.
Kerngedanke bei der Einführung des digitalen Produktpasses ist es, für mehr Transparenz zu sorgen und gleichzeitig Verbrauchern die Möglichkeit zu schaffen, nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.
Initiativen zur Entwicklung des digitalen Produktpasses wurden durch die neue Ökodesign-Richtlinie und die Ökodesign-Verordnung der EU vorangetrieben, die nachhaltige Produkte und die Reduzierung von Abfällen zum Ziel haben. Sie sind zudem Teil des European Green Deal und tragen maßgeblich zum Erreichen der Klimaziele bei.
Bisher galten die Ökodesign-Richtlinien nur für energieverbrauchsrelevante Produkte. Mit der Novellierung beziehen sie sich seither auch auf physische Produkte und setzen den rechtlichen Rahmen für deren Anforderungen an den Umwelt- und Ressourcenschutz wie Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Reparierbarkeit. Im Fokus steht dabei der gesamte Lebenszyklus. Außerdem soll der Einsatz von Rezyklaten gefördert werden.
Die EU-Kommission und verschiedene nationale Institutionen haben den digitalen Produktpass als Werkzeug zur Förderung dieser nachhaltigen Anforderungen und zum Schutz der Verbraucherrechte entwickelt.
Durch das einheitliche Format ist der erste Schritt für eine grundlegende Kreiswirtschaft gesetzt – im stationären und Online-Handel.
Ab wann gilt der digitale Produktpass?
Der digitale Produktpass soll schrittweise den Weg in die Wirtschaft finden. Geplant ist derzeit, dass zunächst die Verpflichtung ab 2026 auf Textilien, Automobile und Elektrogeräte erweitert werden soll.
Ab 2027 soll er verpflichtend für alle eingeführten Produkte werden.
Was bringt der digitale EU-Produktpass?
Der digitale Produktpass schafft einen intelligenten Zugang zu Produktinformationen und verstärkt die Transparenz innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette. Er bündelt wesentliche Daten – von Rohstoffquellen über Recyclingoptionen bis zu Konformitätserklärungen und Betriebsanleitungen. Zudem sind viele weitere Informationen zu Umwelt- und Sozialindikatoren, wie dem CO₂-Fußabdruck oder der Einhaltung von Lieferkettengesetzen, integriert.
Damit erlaubt der digitale Produktpass, wie bereits erwähnt, einerseits dem Verbraucher, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen, und ermöglicht es Unternehmen andererseits, ihre Lieferketten effizienter zu gestalten, zu verwalten und zu optimieren. Zeitgleich haben es mittelständische Unternehmen einfacher, Produkte einzuführen und sich am Markt zu behaupten.
Zusammengefasst hat der digitale Produktpass folgende Vorteile:
- Transparenz durch detaillierte Einblicke in den Produktlebenszyklus, was sowohl Vertrauen stärkt als auch fundierte Kaufentscheidungen unterstützt.
- Effizienz durch Optimierung des Lieferkettenmanagements auf Basis verbesserter Zugänglichkeit und Analyse relevanter Daten.
- Nachhaltigkeit und Förderung umweltbewusster Produktions- und Verbrauchsweisen durch effizientere Ressourcennutzung und Recyclingprozesse.
Wie wird der digitale Produktpass der EU technisch realisiert?
Der digitale Produktpass nutzt moderne Technologien wie QR-Codes, NFC und RFID-Chips, standardisiert nach ISO/IEC 15459, um einen schnellen Zugriff auf detaillierte Produktinformationen zu gewährleisten.
Die Datenbasis für den Produktpass der EU besteht sowohl aus internen als auch externen Quellen: Zulieferer liefern Daten über Materialherkunft und -verarbeitung, während Partnerunternehmen Informationen zu Wartung und Entsorgung beisteuern. Intern werden Daten zu Materialien, Verbrauch und Qualität gesammelt, um einen umfassenden Überblick über die Produktlebenszyklen zu erhalten.
Wozu verpflichtet der digitale Produktpass der EU die Hersteller?
Die Bereitstellung eines digitalen Produktpasses wird für die Hersteller bestimmter Produkte verpflichtend sein. Als gesichert gilt derzeit, dass energieverbrauchsrelevante Produkte künftig einen digitalen Produktpass haben müssen, denn diese Produkte sind von der bereits geltenden Ökodesign-Richtlinie betroffen.
Da in der neuen Ökodesign-Verordnung der Kreis der betroffenen Produkte um beispielsweise Textilien und Verpackungen erweitert wird, ist davon auszugehen, dass auch diese und weitere Produktarten in den kommenden Jahren mit einem digitalen Produktpass ausgestattet werden müssen.
Welche Informationen der Produktpass der EU enthalten muss, variiert von Produkt zu Produkt. Ein Produktpass ist bereits aus den Änderungen der EU-Batterieverordnung 2023 bekannt. Jede Batterie muss einen Batteriepass tragen. Über den QR-Code müssen Informationen zu der Kapazität, Leistung, Lebensdauer und chemischen Zusammensetzung der Batterie abrufbar sein. Ähnlich wie bei dem Batteriepass werden beim digitalen Produktpass der EU produktspezifische Pflichten dazu verhängt, zur Angabe welcher Informationen Hersteller verpflichtet sind. Beispiele für verpflichtende Informationen sind u. a.:
- Montageanleitungen
- Schnittstellentechnologien
- Betriebsanleitungen
- Zertifikate
- Echtheitsnachweise
- Wiederverwendbarkeit
- Materielle Zusammensetzung
- Energieeffizienz
Vom digitalen Produktpass und dem Abruf der Daten über ein mobiles Endgerät in wenigen Klicks profitieren neben Verbrauchern, die sich etwa über die ökologischen Bedingungen informieren können, auch beispielsweise Entsorger, die sich Informationen über das Recycling beschaffen können. Oder auch öffentliche Einrichtungen, die prüfen können, ob alle relevanten Richtlinien eingehalten wurden. Betriebe haben die Möglichkeit zu schauen, wie ein Produkt repariert werden kann und welche Ersatzteile es dafür gibt.
Die Herausforderungen der Einführung des digitalen Produktpasses meistern
Der rechtliche Rahmen für den digitalen Produktpass wird durch Gesetze wie die EU-Batterieverordnung und die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte definiert, ergänzt durch spezifische Normen und Standards, die von Experten aus verschiedenen Sektoren entwickelt werden. Trotz der Annahme, dass Daten in Lieferketten leicht zugänglich sind, behindern oft Insellösungen die Verfügbarkeit.
Ebenso bestehen seitens Unternehmen Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit und des Datenschutzes bei der Erhebung und Speicherung der umfassenden Produktdaten. Aktuell fehlt es noch an der weitläufigen Überzeugung, dass der digitale Produktpass im Alltag genutzt wird und seine vielen Vorteile ausspielen kann.
Was viele Unternehmen zurückschrecken lässt, ist der Gedanke an hohe Implementierungskosten und einen gesteigerten Aufwand, der sich aufgrund fehlenden Personals nicht ohne Weiteres meistern lässt. Ferner kann es dazu kommen, dass bestimmte Informationen noch zusätzlich in Papierform geführt werden müssen, was zusätzliche Bürokratie bedeutet, bis der digitale Produktpass einheitlich und interoperabel gestaltet ist.
Trotz aller vermeintlichen Hürden: Der digitale Produktpass kommt. Daher ist genau jetzt für Unternehmen der ideale Zeitpunkt, sich mit der Einführung des digitalen Produktpasses zu beschäftigen und den Weg optimal zu gestalten. Wir von der Deutsche Recycling GmbH unterstützen Sie gerne dabei.
Aktuelle Entwicklungen und Aussichten hinsichtlich des EU-Produktpasses
Die Europäische Kommission hat die CEN, CENELEC und ETSI beauftragt, harmonisierte Normen für den digitalen Produktpass zu entwickeln. Zur Koordination dieser Aufgaben wurde das „Joint Technical Committee 24 Digital Product Passport“ bei CEN und CENELEC eingerichtet. Parallel dazu haben DIN und DKE das Gremium „Digitaler Produktpass“ gegründet, um die Arbeiten auf nationaler Ebene zu spiegeln und deutsche Interessen in Europa zu vertreten.
Obwohl die Einführung des Passes für Unternehmen zunächst mit einem erhöhten Aufwand verbunden ist, profitieren diese insgesamt von dem Pass: In Zeiten, in denen die Verbraucher auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz achten, erlangen auch die Hersteller selbst durch den digitalen Produktpass von ihren Lieferanten alle wichtigen Informationen zu den einzelnen Komponenten und abgebauten Rohstoffen. Diese Informationen können sie bei der Herstellung ihrer Produkte berücksichtigen und ihre Herstellungsprozesse dadurch beispielsweise nachhaltiger gestalten.
Auch der Herstellungsprozess könnte durch die Informationen im digitalen Produktpass optimiert werden. So könnten die Informationen im Produktpass der EU z. B. bei Produkten aus dem Bausektor eine Effizienzsteigerung der an sich äußerst energie- und ressourcenintensiven Stahlherstellung ermöglichen.
Bei z. B. Verpackungen hätte ein digitaler Produktpass den Vorteil, dass die Verbraucher sich auf Basis der Informationen im Pass für die nachhaltigere Art der Verpackung entscheiden könnten. Somit profitieren vom Hersteller über den Endverbraucher bis hin zum Entsorger alle Beteiligten von dem digitalen Produktpass der EU. Die Entsorger können das Recycling durch die Informationen zur materiellen Zusammensetzung des Produkts effizienter gestalten. Entsorgern liefert der digitale Produktpass u. a. die folgenden Informationen über das Produkt:
- enthaltene Materialien
- Eignung der einzelnen Materialien zur Wiederverwendbarkeit
mangelnde Eignung der Materialien zum Recycling und Pflicht zur Entsorgung
Bedeutung des digitalen Produktpasses für die Zukunft
Der Abruf von Daten über einen QR-Code ermöglicht eine deutliche Verbesserung der Verfügbarkeit von Daten. Heute kommt es wegen digitaler Insellösungen von Marktakteuren regelmäßig dazu, dass Daten zu den Produkten global nur eingeschränkt verfügbar sind. Ein digitaler Produktpass ist ein wichtiger Schritt zur global konsistenten Verfügbarkeit von Produktdaten, denn mit einem modernen Smartphone kann jede Person die Daten aus dem QR-Code auslesen lassen. Dies macht die Daten leicht verfügbar und trägt zur Standardisierung der Datenverfügbarkeit bei: Nicht mehr nur einige wenige Marktakteure können die Daten einsehen und sich deswegen einen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen bzw. Verbrauchern verschaffen, sondern alle Marktakteure haben Einsicht.
Wo genau der digitale Produktpass platziert werden muss, wird wohl von Produkt zu Produkt variieren. Auf Produkten, auf denen sich kein QR-Code anbringen lässt, wird es alternative Lösungen geben. Was jedoch klar ist: Im Online-Handel wird der digitale Produktpass verpflichtend sein. Hersteller, Händler und Inverkehrbringer von Produkten werden den QR-Code zum Pass auf den einzelnen Produktseiten angeben müssen. Benötigen Sie Unterstützung oder Beratung hinsichtlich des rechtlichen Rahmens rundum den digitalen Produktpass? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf – wir stehen Ihnen gerne zur Seite!