Blick in die Zukunft – Kreislaufwirtschaft für Textilien
Textilien und Stoffe sind ein fester Bestandteil unserer Lebensweise. Ob als Bekleidung, Taschen oder Wohndekoration. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Nachfrage nach Kleidung in einer Art und Weise zugenommen, dass ihr Gebrauch nicht mehr auf die grundlegende Bedürfnisbefriedigung zurückgeführt werden kann.
Während sich das Bevölkerungswachstum seit 1975 knapp verdoppelt hat, verdreifachte sich die Textilproduktion nahezu. Von 2000 bis 2014 hat sich die Anzahl der weltweit produzierten Kleidungsstücke verdoppelt. Zurückzuführen ist diese Beobachtung auf die Fokussierung auf den Massenkonsums.
Als Endabnehmer spielt die EU eine wichtige Rolle. 2020 sind 6,9 Millionen Tonnen Textilprodukte gefertigt worden. Zudem importiert die EU etwa 63 Prozent der textilen Endprodukte und 70 Prozent der fertigen Modeprodukte. Deutschland nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Gemessen am Gewicht ist Deutschland weltweit zweitgrößter Importeur von Kleidung.
Textilien und die Umweltauswirkungen
Die Produktion und der Konsum von Textilien ziehen weitreichende soziale und ökologische Folgen mit sich. So ist die Produktion von etwa 25 Millionen Tonnen Baumwolle für etwa 2,5 Prozent des globalen Wasserverbrauchs verantwortlich. Die Herstellung synthetischer, auf fossilen Rohstoffen basierenden Fasern sorgte jährlich für den Verbrauch von 98 Millionen Tonnen nicht erneuerbarer Ressourcen. Der Textilsektor ist nach Verpackungen und Konstruktion für den größten Kunststoffverbrauch verantwortlich.
Die Textilbranche war 2018 für 4 Prozent aller weltweit ausgestoßenen CO2-Emissionen verantwortlich. Aufgrund der zentralen Rolle der EU beim Import ist diese auch für einen erheblichen Teil der Umweltfolgen mit verantwortlich. Das hohe Produktions- und Konsumvolumen in der EU hat zudem hohe Abfallmengen zufolge, die aufgrund bislang fehlender End-of-life-Lösungen, als eines der zentralen negativen Folgen der Textilindustrie zu sehen sind.
Deutschland bei Textilien gegen den EU Trend
Bis 2030 wird weltweit mit einer Zunahme an Textilabfall von bis zu 60 Prozent gegenüber 2015 gerechnet. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass es trotz des wachsenden Produktionsvolumens nicht gelingt, das Abfallaufkommen zu reduzieren oder die Abfälle möglichst ressourcenschonend einem Recyclingkreislauf zuzuführen.
In der EU ist das Textilabfallaufkommen zwischen 2004 und 2018 zwar um etwa 46 Prozent zurückgegangen, in Deutschland jedoch im selben Zeitraum um 52 Prozent gestiegen. Mit einem Textilabfallvolumen von 339 Tausend Tonnen war Deutschland 2018 für 16 Prozent des EU-weiten Textilabfalls verantwortlich.
Wie kann ein Wandel für den Bereich der Alttextilien aussehen?
Konsumverzicht und modeunabhängiges Kauf- und Nutzungsverhalten sind kulturelle, politische und persönliche Herausforderungen. Auf eine intrinsische Motivation zur Änderung dieses Verhaltens zu hoffen ist wenig erfolgversprechend.
Besonders relevant sind daher gesetzliche Rahmenbedingungen und Verpflichtungen. Dabei sollte vorrangig auf die Qualität der Sammelware, die Vermarktbarkeit wiederverwendbarer Ware sowie die Verwertung der nicht wiederverwendbaren oder nicht marktfähigen Alttextilien geachtet werden. Da die Mengen an Alttextilien, die nicht mehr markt- und tragfähig sind, zunehmen werden und eine besondere wirtschaftliche Herausforderung darstellen, sollten Strategien entwickelt werden, die diese Problematik angehen.
Sofern Alttextilien nicht zur Wiederverwendung genutzt werden können, werden diese heute im Wesentlichen für die Herstellung von Putzlappen, die Nutzung als Dämmstoff oder für Fließe verwendet. Für eine hochwertige Verwertung ist es aber erforderlich, die Fasern wieder für die Herstellung von Textilien zu nutzen, denn nur so können wichtige Primärrohstoffe und Ressourcen ersetzt werden, für die es keine Möglichkeit zur Wiederverwendung gibt.
Es gibt einzelne Projekte zur Nutzung der Fasern zur Herstellung von Textilien. Diese sind aber aktuell nur kleine Nischenbereiche und umfassen die Verwertung von Mono Ware wie z.B. Produktionsabfälle oder Jeans.
Erweiterte Herstellerverantwortung für Alttextilien
Erweiterte Herstellerverantwortung bedeutet, dass Organisationsstrukturen geschaffen werden, die die Hersteller in die Pflicht nehmen, recyclingfähige Materialien und Waren zu produzieren, recycelte Fasern einzusetzen und die Entwicklung von Zukunftstechnologien zur Aufbereitung und Verwertung der Fasern aus Alttextilien zu fördern.
Das bedarf jedoch gesetzlicher Regelungen, um die Finanzierung und das Erreichen der Ziele sicherzustellen.
Es stellt sich die zentrale Frage, wer die Verantwortung für die Textilien trägt, die nach Gebrauch Abfall werden. Die EU-Gesetzgeber sehen diese Verantwortung bei den Herstellern, weshalb diese zu einer erweiterten Herstellerverantwortung verpflichtet werden sollen. Dabei sind die „allgemeine Herstellerverantwortung“ und die „erweiterte Herstellerverantwortung“ zu unterscheiden.
Allgemeine Herstellerverantwortung
Die Produzenten/Importeure/Händler sind für ihre Produkte verantwortlich u. a. unter den Aspekten Sicherheit, Gesundheit und Umweltauswirkungen.
Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)
Produzenten/Importeure/Händler sind bei Inverkehrbringen ihrer Waren für den gesamten Lebenszyklus verantwortlich. Das betrifft auch die Phase nach Gebrauch, wenn die gebrauchten Textilwaren bereits Abfall geworden sind. Zur Erfüllung dieser Pflichten bedarf es somit einer engen Verknüpfung zwischen Herstellern und Entsorgern (Erfasser, Sortierer und Recycler).
Um ein solches System einer erweiterten Herstellerverantwortung einzuführen, müssen die einzelnen Möglichkeiten und Maßnahmen bewertet werden. Es liegen bereits Erfahrungen aus anderen Bereichen vor (Mehr dazu in unserem Blog und Webinaren).
Die Herstellerverantwortung für andere Produkte wie Verpackungen, Batterien und Elektrogeräte ist in vielen Ländern bereits etabliert. In Frankreich gibt es auch Erfahrungen mit einem System für Textilien (ECO-TLC). Weitere Länder wie z. B. Deutschland, Schweden und die Niederlande bereiten für Textilien entsprechende Regelungen vor.
Chance der Textil-EPR nutzen
Frankreich ist derzeit das einzige Land mit einem EPR-System für Alttextilien. Das französische Gesetz zur Abfallbekämpfung und zur Kreislaufwirtschaft ist besonders innovativ, denn es besagt unter anderem das Vernichtungsverbot unverkaufter Konsumgüter. Seit 2022 dürfen nicht verkaufte Textilien nicht mehr vernichtet werden, sondern müssen gespendet oder recycelt werden.
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten als Produktionsstandort für die Textilindustrie an Bedeutung verloren. Mit der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft könne dieser Trend umgekehrt werden. Erste Schritte sind bereits unternommen worden, nun wird an einer klaren Roadmap gearbeitet. Diese muss unter anderem eine klare und transparente Definition von Verantwortlichkeiten bezüglich der Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung enthalten.
Notwendig ist eigentlich auch der Ausstieg aus der „Fast Fashion“. Sobald sich Unternehmen an den Kosten der Sammlung und Verwertung beteiligen müssen, sollten sich diese Kosten automatisch nach oben anpassen und somit allein durch den Preis die Menge an in Verkehr gebrachten Textilien reguliert werden.
Für die ab 2025 vorgeschriebene Getrenntfassung von Altkleidern ist das deutsche Konzept der Container-Sammlung ungeeignet. Es muss daher ein System zur intelligenten und flächendeckenden Sammlung entwickelt werden.
Textil-EPR auf Amazon
Online-Händler, die auf Amazon Textilien verkaufen, müssen ihre sogenannte EPR-Registrierungsnummer vorweisen.
Woher bekommen Online-Händler die EPR-Nummer? Das erklären wir Ihnen gerne persönlich. Kontaktieren Sie uns per Mail, Telefonisch oder über unseren Livechat. Unsere Experten beraten Sie gerne!
Übrigens: Bei Nicht-Registrierung wird der Verkauf auf Amazon untersagt. Dasselbe betrifft auch Händler, die über andere Marktplätze als Amazon verkaufen, denn Marktplatzanbieter müssen generell sicherstellen, dass die Verkäufer auf der Plattform EPR-konform registriert sind.
Ebenso prüfen Marktplätze wie Amazon die EPR-Nummer für Verpackungen, Elektrogeräte, Batterien, und andere verpflichtete Produkte.
Textil-EPR in Schweden
Schweden ist das zweite Land in der Europäischen Union, das Gesetze zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien und Bekleidung verabschiedet hat. Die neuen Richtlinien traten am 1. Januar 2022 in Kraft, wobei die Lizenzierung von Sammlungen am 1. Januar 2024 beginnen soll.
Der schwedische Gesetzgeber hat errechnet, dass die Einführung der EPR dazu führen wird, dass ein T-Shirt um 0,23 SEK (etwa 2 Eurocent) teurer wird. Deshalb, so heißt es, müssen die neuen Gesetze „durch Maßnahmen ergänzt werden, deren Zweck nicht nur die Zuweisung der Verantwortung für die Abfallbewirtschaftung ist“.
Worauf müssen sich Hersteller und Händler einstellen?
Hersteller und Händler von Textilien müssen sich auf eine Registrierungspflicht, wie sie bereits aus anderen Bereichen (Verpackung, Elektrogeräte, Batterien) bekannt ist einstellen. Zukünftig darf nur derjenigen Textilien in Verkehr bringen, der seine Produkte lizenziert hat und die Verantwortung für den kompletten Lebenszyklus des Produkts übernimmt.
Es wird erwartet, dass durch die erweiterte Herstellerverantwortung der Trend weg von „Fast Fashion“ hin zu wertigeren Produkten mit längerer Lebensdauer geht.
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